Zur bevorstehenden Entscheidung über das Kohleausstiegsgesetz und den Kabinettsbeschluss am 24.06. zum Vertrag über den Ausstieg aus der Braunkohle nehmen die Scientists for Future Berlin (S4F) Stellung.
In einer Beurteilung des Gesetzentwurfs wird hervorgehoben, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen und Emissionsminderungen nicht ausreichen werden, um die international verabredeten Treibhausgasreduktionen einzuhalten.
Ohne zusätzliche Eingriffe droht Deutschland sowohl nationale als auch internationale Klimaschutzvereinbarungen zu verfehlen, womit auch entsprechende Strafzahlungen verbunden sind. Gerade die Kohleverstromung, und hier besonders die CO2-intensive Braunkohleverstromung, ist der entscheidende Hebel, um die erforderlichen Emissionsminderungen doch noch zu erreichen: „Ein schneller Kohleausstieg bis 2030 technisch möglich, wesentlich einfacher und volkswirtschaftlich günstiger als die Reduzierung von Treibhausgasen in anderen Branchen, z.B. der Stahlindustrie oder dem Verkehrssektor,“ äußert sich der Energiewissenschaftler Dr. Pao-Yu Oei.
Die großen Reduktionspotentiale bei Stromerzeugung aus Kohle müssen genutzt werden, um Spielräume für die wesentlich komplexeren Herausforderungen in anderen Sektoren zu schaffen. Auch kann der Kohleausstieg kostengünstiger und effektiver gestaltet werden als im Gesetzentwurf vorgesehen.
Prof. Volker Quaschning weist darauf hin, dass in den ersten sechs Monaten dieses Jahres der Anteil der Kohle an der deutschen Nettostromerzeugung bei knapp unter 20 Prozent lag, Tendez abnehmend: Im Jahr 2019 betrug dieser noch 29 Prozent, im Jahr 2018 sogar 37 Prozent. Quaschning: „Der Ausbau erneuerbarer Energien, günstige Gaspreise und gestiegene Preise für Emissionszertifikate haben auch ohne Ausstiegsgesetz und Entschädigungszahlungen die Kohlestromproduktion allein aus wirtschaftlichen Gründen stark zurück drängt.“ Im Klartext heißt das: die Braunkohleunternehmen erhalten mehr Geld als angemessen wäre, denn wegen des sich stark ändernden Energiemarkts werden Braunkohlekraftwerke zunehmend unrentabler und würden in Zukunft auch ohne Ausstiegsgesetz abgeschaltet werden.
Der vorliegende Vertragsentwurf zwischen der Bundesregierung und den Braunkohleunternehmen hingegen sieht Entschädigungszahlungen von deutlich über vier Mrd. Euro vor. Dazu liegen auch aus dem Bundesumweltministerium und vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags kritische Gutachten vor. „Ein Anspruch auf Entschädigungszahlungen entsteht nach Ansicht der Gutachter nicht, allerdings empfehlen die Autoren Übergangs- und Härtefallregelungen,“ sagt dazu der Energiefachmann Jürgen Blümer.
Das globale CO2-Budget zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels ist begrenzt. Als ein Land, das pro Kopf gerechnet deutlich mehr Treibhausgase emittiert als im weltweiten Durchschnitt und das zugleich zu den wohlhabendsten Ländern zählt, hat Deutschland die technischen und finanziellen Möglichkeiten, stärkere Anstrengungen zu unternehmen. Die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen, die hier getroffen werden, die technologischen Entwicklungen für ein nachhaltiges Wirtschaften, die Erforschung zukunftstauglichen Prozesswissens – all das hat größere Auswirkungen, als direkt messbar ist.
Unser Land kann weltweit auf diesen Zukunftsfeldern eine Führungsrolle übernehmen. Für die Emissionsminderung ist der vorliegende Gesetzentwurf lediglich eine teuer erkaufte Chance mit unsicherem Ergebnis.
Der vollständige Text der Stellungnahme findet sich unter: https://www.scientists4future.org/defizite-kohleausstiegsgesetz-kvbg-e/