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15.11.2020 | S4F-Saarland-Statement zu den Forderungen der Fridays 4 Future „Autofreie Innenstadt Saarbrücken“

Wir unterstützen die (nachfolgend verlinkte) Forderung der Fridays for Future nach einer autofreien Innenstadt für Saarbrücken.

Die Klimaerwärmung kann bei 1,5 Grad nicht gestoppt werden, wenn wohlhabende Staaten ihre Mobilitätskonzepte nicht grundsätzlich verändern und sich auf den damit verbundenen Bruch mit  Gewohnheiten und Althergebrachtem einlassen. Wir stehen daher fest hinter den Forderungen für eine autofreie Innenstadt und fordern ihre rasche und möglichst umfangreiche Umsetzung. Wenngleich die Notwendigkeit einzelner Details der Forderungen strittig sein mag, ist das in den Forderungen der Fridays for Future Saarland das beste uns bekannte Konzept für die zukünftige Mobilität Saarbrückens.

Uns ist klar, dass das Konzept möglicherweise nicht vollständig bis 2025 umgesetzt wird, doch wir halten die politische Forderung danach für richtig und wichtig, weil es in diesem Zeitraum mit politischem Engagement umgesetzt werden kann und sollte.

Falls es bis 2025 zu keiner vollständigen Umsetzung kommt, so drängen wir auf eine möglichst weitgehende Umsetzung. Saarbrücken leidet derzeit unter starkem Verkehr, welcher Lärm, gesundheitsbelastenden Feinstaub und Stickstoffoxide erzeugt, die Innenstadt abwertet und anderen Mobilitätsformen viel zu wenig Platz einräumt. Fehlende bzw. zu wenige und zu schmale Rad- und Fußwege erschweren gerade jene Fortbewegungsmittel, welche den Mitmenschen weniger Nachteile in Form von CO2, Gesundheitsbelastung und Unfallgefahr aufbürden, obwohl diese zugunsten aller Saarbrücker gefördert werden sollten.

Andere Städte haben bereits mit großem Erfolg autofreie Straßen bzw. Innenstädte eingerichtet und können Saarbrücken in dieser Hinsicht als Vorbilder dienen, die auch Lösungsmöglichkeiten für Probleme wie Lieferverkehr aufzeigen (siehe z.B. Bericht über autofreie Innenstädte). In Deutschland gehen insbesondere Hamburg und Berlin hier voran und Bremen hat ehrgeizige Pläne vorgelegt. In Europa sind Wien, Madrid, Gent, Utrecht und Houten (neben vielen anderen Beispielen) zu nennen. Sie widerlegen die Annahme, dass eine Umgestaltung nicht praktikabel und wirtschaftlich nachteilig sei. Im Gegensatz steigert sich in autofreien Zonen oft der Umsatz im Einzelhandel und es kommt zu einer Belebung der Innenstadt. Autofreie Gebiete sind umweltfreundlicher, attraktiver, lebenswerter, kinderfreundlicher, sicherer und sozial verträglicher. Sie steigern auch die Lebensqualität im angrenzenden Wohnraum.

Für Saarbrücken liegt eine besondere Herausforderung darin, dass überdurchschnittlich viele Menschen zu ihrer Arbeit pendeln (siehe etwa den  Pendlerbericht (Pendlerbericht 2019 – Das wichtigste in Kürze) Aus diesem Grunde ist es wichtig, das Pendeln mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fördern und zu erleichtern, sowie ausreichende und kostenlose Park- and Ride Plätze in den Außenbereichen der Stadt einzurichten.

Selbstverständlich kennzeichnet die autofreie Innenstadt nicht nur die Abwesenheit von Autoverkehr, sondern die gleichzeitige Einrichtung eines umfangreichen, verlässlichen und erschwinglichen öffentlichen Nahverkehrs, Car Sharings, sowie von Park- and Ride Plätzen und sicheren Fahrrad- und Fußwegen. Von diesen Einrichtungen profitieren z.B. Rentner*innen und Schwerbehinderte, die häufig auf öffentliche Verkehrsmittel und adäquate, behindertengerechte Fußwege angewiesen sind. Dasselbe gilt für sozial Schlechtergestellte, junge Menschen und viele Studierende, die öffentliche Verkehrsmittel sowie sichere Fahrradwege benötigen.

Besonderes Potential für die Umgestaltung in eine autofreie Zone liegt in Saarbrücken im Nauwieserviertel, sowie in seinem näheren Umfeld. Die
Umstellung auf eine autofreie Innenstadt ist für viele Bürger ungewohnt, was aber nicht bedeutet, dass ihre Vorzüge nicht insgesamt betrachtet eine ruhigere, sozial verträglichere und freundlichere Atmosphäre und letztlich höheren Komfortmit sich bringen. Neue, klug eingesetzte Mobilitätsformen können eine Belebung und Aufwertung Saarbrückens herbeiführen. Ein Beispiel dafür, wie man schon jetzt ohne Auto aber mit kleinen Kindern in Saarbrücken auf Fahrrad und Car Sharing setzen kann, ist der Erfahrungsbericht von Kathrin Fuhrmann:

Erfahrungsbericht von Kathrin Fuhrmann, S4F Saarbrücken:
Im April 2016 zogen wir mit unseren beiden Kindern, damals fast 1 und 3 Jahre alt, nach Saarbrücken Dudweiler. Nach Aufenthalten in Berlin, Zürich und London stand für uns fest, kein Auto anzuschaffen (nicht mal geschenkt!), sondern es ohne Auto zu schaffen. Seit über vier Jahren erledigen wir den Weg zu den Kindergärten, zur Arbeit (beide berufstätig), zum Einkauf beim Supermarkt und Wochenmarkt, zum Shopping in die Stadt, zur Stadtbibliothek, zum Zoo, zur Logopädie, zum Schwimmen und Kindersport mit dem Fahrrad oder Bus. Hierfür haben wir uns ein Pedelec (E-Bike) mit Anhänger für die Kinder angeschafft. Seit diesem Sommer haben wir ein Cargo-Bike mit Platz für zwei Kinder auf dem Gepäckträger, StVO konform mit einem Rahmen geschützt.

In den Urlaub und zur Familie fahren wir mit dem Zug, und genießen es chauffiert zu werden, die Zeit miteinander zu verbringen, dabei einen Speisewagen und Toilette jederzeit verfügbar zu haben und nicht mit Anschnallgurt eingesperrt zu sein. Für Orte, die weniger gut erreichbar sind oder die Last zu schwer wäre (z.B. Möbelhaus, Getränkemarkt, Jagdschloss Karlsbrunn), nutzen wir Carsharing und sind froh uns keinen Kopf um Wartung, Putzen, Reparaturen, Reifenwechsel machen zu müssen. Carsharing lässt sich auch wunderbar mit dem Zug kombinieren, so sind wir diesen Sommer mit dem Zug nach Hamburg, dann weiter mit dem Carsharing Auto an die Nordsee. Letzten Sommer sogar mit Interrail (Kinder fahren kostenlos mit) nach Italien und auf dem Rückweg Halt in Zürich gemacht. Für dringende Fälle, z.B. Arztbesuche, haben wir das Auto von unseren Nachbarn geliehen bekommen.

Leider gibt es immer noch kein Carsharing Auto in Dudweiler. Für manche Wege sind wir auch froh über Fahrgemeinschaften und dass unser Babysitter manchmal fahren kann. Und wenn keine Zeit zum Wocheneinkauf ist, dann bestellen wir unsere Biokiste und bekommen sie an einem festen Tag (keine Wunschlieferung wie große Supermärkte haben) nach Hause geliefert. Wir fühlen uns absolut mobil und sind froh, kein Auto zu haben und so unserenpersönlichen CO2-Fußabdruck  reduzieren zu können. (Carbon Footprint Mobilität: 0,8 t CO2/Jahr – anstatt: 3,4 t bzw. 2,6 t CO2/Jahr ohne Flüge),
https://co2.myclimate.org/en/footprint_calculators/new

Die Forderung von Fridays for Future Saarland finden sich unter:
https://fridaysforfuture-saarland.de/forderungen/