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Serie: „S4F-Saarland Expertenantwort“ Saarbrücker-Zeitung vom 16.7.2021

1 Grad Erderwärmung – wieso ist das überhaupt so schlimm?

An dieser Stelle beantworten die Wissenschaftler von Scientists for Future (S4F) Saar Fragen der SZ-Leser rund um die Klimakrise. Heute beschäftigt sich Prof. Gerhard Wenz mit einer Frage aus der Redaktion.


Antwort von Prof. Dr. Gerhard Wenz, S4F-Saarland – Bearbeitet von Aline Pabst, Saarbrücker-Zeitung

Wieso ist es überhaupt schlimm, dass sich die Erde schon um 1 Grad erwärmt hat? Das ist doch gar nicht viel…

S4F-Saarland: „Im Alltag sind 2 Grad Temperaturunterschied unbedeutend. Bei der Erdtemperatur ist die Zunahme von 1,0 Grad seit 1980 allerdings besorgniserregend. Die Erdtemperatur ist der Mittelwert von über 10 000 Messstationen [1], gemittelt über fünf Jahre. Der Temperaturanstieg über den Ozeanen betrug nur 0,67 Grad, weil dort ein Temperaturausgleich stattfindet (das Wasser aus wärmeren Gebieten vermischt sich mit dem aus kälteren). Dafür war er über Land mit 1,5 Grad deutlich höher [2]. Am Nordpol wurde es sogar 3,1 Grad wärmer [3]. Drei Viertel der Eismasse ist deshalb seit 1980 bereits abgeschmolzen [4]. Das komplette Abtauen des Nordpols im Sommer ist zu befürchten – mit katastrophalen Folgen für die dortige Tierwelt [5].

Die Winter werden auch bei uns immer kürzer und kommen später, dafür können die Schneefälle sehr ergiebig sein. Aber selbst im klassischen Skigebiet Hochschwarzwald, Heimat der Skilegende Georg Thoma, gab es 2013-2016 an Weihnachten keinen Schnee mehr [6].

Die letzten fünf Sommer brachen alle Rekorde. In Saarbrücken und Frankfurt ist die Zahl der Hitzetage mit Temperaturen über 30 Grad seit 1980 von zwei bis neun auf 16 bis 20 gestiegen [7]. Eine Ursache ist, dass durch die Erwärmung der Polarregion der Jetstream schwächer wird und es dadurch häufiger zu langanhaltenden Warmluftvorstößen kommt [8]. Der Temperaturanstieg erhöht sowohl Verdunstung als auch die Windgeschwindigkeiten. Tornados, wie man sie früher nur aus den USA kannte, gibt es inzwischen immer öfter auch bei uns – mit massiven Schäden, wie zum Beispiel in 2019 in Bochold/Münsterland und Luxemburg und 2021 in Belgien und Tschechien [9]. Hinzu kommen vermehrt Wasserschäden durch Starkregen wie beispielsweise 2018 in Kleinblittersdorf [10] oder ganz aktuell in der Eifel. In Europa sind jährliche Schadenssummen durch schwere Unwetter seit 1980 von unter 300 Millionen Euro auf über 5 Milliarden angestiegen [11].

Auch unser Wald leidet unter dem Klimawandel. 79 Prozent aller Bäume in Deutschland sind bereits durch Trockenheit und Schädlinge bedroht [12]. Folglich hat die Waldbrandgefahr zugenommen – nicht nur in Kalifornien, sondern auch hier. Jedes weitere Zehntelgrad Erderwärmung wird noch schlimmere Auswirkungen haben. Dadurch kann ein sich selbst verstärkender Effekt (Kipppunkt) eintreten, der unser aller Lebensgrundlage bedroht. Entschlossenes Handeln ist daher nötig.

Quellen:

[1] https://data.giss.nasa.gov/gistemp/station_data_v4_globe/

NASA Goddard Institute for Space Studies – https://data.giss.nasa.gov/gistemp/graphs_v4/

[2] ARCTIC MONITORING AND ASSESSMENT PROGRAMME (AMAP), https://www.amap.no/documents/download/3295/inlin

[3[ Polar Science Center, Applied Physics Laboratory, University of Washington http://psc.apl.uw.edu/research/projects/arctic-sea-ice-volume-anomaly/

[4] https://www.amap.no/documents/doc/arctic-climate-change-update-2021-key-trends-and-impacts.-summary-for-policy-makers/3508

[5] Zahlen aus der Karte entnommen: https://kachelmannwetter.com/de/messwerte/breisgau-hochschwarzwald/schneehoehen-tag/19701225-0600z.html

[6] Zahlen aus der Karte entnommen: https://www.umweltbundesamt.de/daten/umwelt-gesundheit/gesundheitsrisiken-durch-hitze#indikatoren-der-lufttemperatur-heisse-tage-und-tropennachte
[7] https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2020/20200702_dach_news.html

[8] D. Coumou, G. Di Capua, S. Vavrus, L. Wang & S. Wang, Nature Communications 9, 2959 (2018)
https://www.nature.com/articles/s41467-018-05256-8

[9] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/tschechien-tornado-tote-verletzte-101.html

[10] https://izw.baw.de/publikationen/dresdner-wasserbauliche-mitteilungen/0/14_Buchholz-Mittelstädt-Yörük_ModellgestützteErmittlung.pdf

[11] Zahlen aus Grafik entnommen: https://www.munichre.com/de/risiken/naturkatastrophen-schaeden-nehmen-tendenziell-zu/gewitter-hagel-tornados-lokal-begrenzt-hohe-schaeden.html

[12] https://www.bmel.de/DE/themen/wald/wald-in-deutschland/waldzustandserhebung.html

Diesen Artikel finden Sie auch auf: https://www.saarbruecker-zeitung.de/sz-serien/klimaexperte/die-sz-experten-erklaeren-wieso-schon-1-grad-erderwaermung-gefaehrlich-ist_aid-61334641