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Serie: „S4F-Saarland Expertenantwort“ Saarbrücker-Zeitung vom 01.10.2021

Über manche wissenschaftlichen Theorien wird unter Fachleuten heftig debattiert. Beim Klimawandel ist die Faktenlage allerdings (leider) eindeutig, erklären unsere Experten. Antwort von Prof. Dr. Lieselotte Diester-Haass, S4F-Saarland – Bearbeitet von Aline Pabst, Saarbrücker-Zeitung

An dieser Stelle beantworten die Wissenschaftler von Scientists for Future (S4F) Saar Fragen rund um die Klimakrise.

Ist der Klimawandel denn nicht sogar unter Experten umstritten?
S4F-Saarland: „Nein, ist er nicht. Eine überwältigende Anzahl von unabhängigen wissenschaftlichen Studien aus allen Kontinenten der Erde zeigt anhand zahlreicher, unterschiedlicher Parameter, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht und in vollem Gange ist. Wissenschaftliche Studien bestehen aus erhobenen Daten (zum Beispiel Jahresdurchschnittstemperaturen einer Stadt über einen langen Zeitraum) und deren Interpretation. Die Daten sind Fakten, sofern sie unter wissenschaftlichen Qualitätskriterien erhoben worden sind. Dazu gehört, dass die Erhebung der Daten „lege artis“ erfolgte, also nach dem in der Wissenschaft üblichen Standard (in diesem Fall durch ein geeichtes Temperaturmessgerät).

Dieser Standard kann sich ändern, typischerweise verbessern, jedoch sind beispielsweise langjährige Temperaturaufzeichnungen weltweit vorhanden und schon seit Jahrhunderten sehr verlässlich. Werden für eine Stadt immer wärmere Temperaturen festgestellt, wird die Frage nach der Ursache laut – also der Interpretation der Daten. Die Zusammenschau aller zugänglichen Temperatur- und weiterer Wetteraufzeichnungen weltweit (seit etwa 1880) zeigt jedoch eindeutig, dass der menschliche Einfluss die Atmosphäre, die Ozeane und das Land erwärmt hat [1]. Diese Aussage stammt aus dem sechsten Bericht des IPCC („Intergovernmental Panel on Climate Change“, zu Deutsch „Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen“, kurz Weltklimarat) vom August 2021. Er basiert auf Tausenden wissenschaftlicher Publikationen, die in „peer-reviewed“ (also von unabhängigen Fachkollegen begutachteten und geprüften) Artikeln in Fachzeitschriften erschienen sind. Diese Aussage zum menschenverursachten Klimawandel wurde auch schon von den Regierungen aller Staaten der Welt im Pariser Klimaabkommen anerkannt [2]. Der IPCC-Report sagt zudem eine sehr schnell zunehmende Erwärmung voraus, mit allen Folgen, die wir schon jetzt erleben (zunehmenden Hitze-, Niederschlags- oder Dürreperioden).

Das kritische Hinterfragen von Daten und deren Interpretation ist normales Handwerkszeug in den Naturwissenschaften. Interpretationsspielräume sind in den vielen Sitzungen des Klimarates unter Fachleuten diskutiert und geklärt worden. Unterschiedliche Meinungen gab es, aber nicht bei Daten, sondern bei verschiedenen Modellen, die das komplexe Klimasystem und die Prognosen für die zukünftige Entwicklung möglichst sicher darstellen sollen; Unsicherheiten der Prognosen werden klar benannt [3,4]

Wenn es Zweifel am Klimawandel gibt, dann ganz sicher nicht bei denen, die seriös zum Thema Klima forschen. Studien zeigen, dass eine Ablehnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen bei Personen dann besonders hoch ist, wenn dadurch ein Aspekt der persönlichen Weltsicht in Frage gestellt wird, ein Geschäftsmodell betroffen ist oder verschwörungstheoretische Ansichten eine Rolle spielen [5].“

Quellen

[1] Report des IPPC  2021: Summary for Policymakers. In: Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Masson-Delmotte, V., P. Zhai, A. Pirani, S. L. Connors, C. Péan, S. Berger, N. Caud, Y. Chen, L. Goldfarb, M. I. Gomis, M. Huang, K. Leitzell, E. Lonnoy, J.B.R. Matthews, T. K. Maycock, T. Waterfield,

O. Yelekçi, R. Yu and B. Zhou (eds.)]. Cambridge University Press. In Press.

Darin die erste Aussage, A1: “It is unequivocal that human influence has warmed the atmosphere, ocean and land. Widespread and rapid changes in the atmosphere, ocean, cryosphere and biosphere have occurred.”

Übersetzt: „Es ist unbestreitbar, dass der Mensch die Atmosphäre, die Ozeane und das Land erwärmt hat. Weitreichende und schnelle Veränderungen in der Atmosphäre, den Ozeanen, der Kryosphäre und der Biosphäre sind eingetreten.“

[2] Pariser Klimaabkommen, Link zum Übereinkommenstext auf Deutsch auf den Seiten des Bundesumweltministeriums: https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/paris_abkommen_bf.pdf

[3] In der Einleitung des 6. IPCC Berichts [1] werden in der Einleitung die Sprachregelungen definiert, mit der die Sicherheit einer bestimmten Aussage ausgedrückt wird: „Each finding is grounded in an evaluation of underlying evidence and agreement. A level of confidence is expressed using five qualifiers: very low, low, medium, high and very high, and typeset in italics, for example, medium confidence. The following terms have been used to indicate the assessed likelihood of an outcome or a result: virtually certain 99–100% probability, very likely 90–100%, likely 66–100%, about as likely as not 33–66%, unlikely 0–33%, very unlikely 0–10%, exceptionally unlikely 0–1%. Additional terms (extremely likely 95–100%, more likely than not >50–100%, and extremely unlikely 0–5%) may also be used when appropriate. Assessed likelihood is typeset in italics, for example, very likely.”

Übersetzt: „Jedes Ergebnis basiert auf einer Bewertung der zugrundeliegenden Belege und der Übereinstimmung. Der Grad des Vertrauens wird durch fünf Qualifizierungsmerkmale ausgedrückt: sehr gering, gering, mittel, hoch und sehr hoch, und in Kursivschrift gesetzt, z. B. mittleres Vertrauen. Die folgenden Begriffe wurden verwendet, um die geschätzte Wahrscheinlichkeit eines Ergebnisses anzugeben: praktisch sicher 99-100% Wahrscheinlichkeit, sehr wahrscheinlich 90-100%, wahrscheinlich 66-100%, so wahrscheinlich wie nicht 33-66%, unwahrscheinlich 0-33%, sehr unwahrscheinlich 0-10%, äußerst unwahrscheinlich 0-1%. Zusätzliche Begriffe (extrem wahrscheinlich 95-100%, eher wahrscheinlich als nicht >50-100% und extrem unwahrscheinlich 0-5%) können ebenfalls verwendet werden, wenn dies angemessen ist. Die geschätzte Wahrscheinlichkeit wird kursiv gesetzt, z. B. sehr wahrscheinlich.“

[4] IPCC-Report [1], als Beispiel die Aussage B5.1: „Past GHG [green house gas] emissions since 1750 have committed the global ocean to future warming (high confidence). Over the rest of the 21st century, likely ocean warming ranges from 2–4 (SSP1-2.6) to 4–8 times (SSP5-8.5) the 1971–2018 change. Based on multiple lines of evidence, upper ocean stratification (virtually certain), ocean acidification (virtually certain) and ocean deoxygenation (high confidence) will continue to increase in the 21st century, at rates dependent on future emissions. Changes are irreversible on centennial to millennial time scales in global ocean temperature (very high confidence), deep ocean acidification (very high confidence) and deoxygenation (medium confidence).“

Übersetzt: “Die Treibhausgasemissionen der Vergangenheit seit 1750 haben dazu geführt, dass sich der globale Ozean in Zukunft erwärmen wird (hohes Vertrauen). Für den Rest des 21. Jahrhunderts liegt die wahrscheinliche Erwärmung der Ozeane zwischen dem 2 bis 4 (SSP1-2,6) und dem 4 bis 8-fachen (SSP5-8,5) der Veränderung von 1971-2018. Auf der Grundlage mehrerer Belege werden die Schichtung der oberen Ozeane (praktisch sicher), die Versauerung der Ozeane (praktisch sicher) und die Sauerstoffentfernung aus den Ozeanen (hohes Vertrauen) im 21. Jahrhundert weiter zunehmen, und zwar mit Raten, die von den künftigen Emissionen abhängen. Jahrhundert weiter zunehmen, und zwar mit Raten, die von den künftigen Emissionen abhängen Die Veränderungen der globalen Ozeantemperatur (sehr hohes Vertrauen), der Versauerung der Tiefsee (sehr hohes Vertrauen) und der Desoxygenierung (mittleres Vertrauen) sind auf hundert- bis tausendjährigen Zeitskalen irreversibel.“

[5] Stephan Lewandowsky and Klaus Oberauer: Motivated rejection of Science, Current Directions in Psychological Science., 25 (2016) 217-222, DOI: 10.1177/0963721416654436.